Text: Dr. Claudia Hermann, Verkehrshaus der Schweiz, Kuratorin Sammlungen Schienenverkehr & Verkehrsarchiv, Leiterin Dokumentationszentrum
Niklaus Riggenbach zählte nicht nur an der Landesausstellung 1939 zu den 100 berühmtesten Schweizern, auch heute noch wird er in der digitalen Swiss Hall of Fame als Technikpionier aufgeführt. Der am 21. Mai 1817 im Elsass geborene Niklaus Riggenbach wuchs ab 1827 in Basel auf. Nach einer Mechanikerlehre führte ihn sein Weg über Lyon und Paris 1844 in die Maschinenfabrik Emil Kessler nach Karlsruhe. Gebaut wurden dort damals die Dampflokomotiven der Spanisch-Brötli- Bahn (SNB). 1853 berief ihn die Schweizerische Centralbahn als Leiter und Maschinenmeister in ihre Reparaturwerkstätte nach Basel (ab 1855 in Olten). Unter seiner Leitung wurde sie zu einer Lokomotivfabrik ausgebaut, in der auch die ersten sechs Vitznau-Rigi-Bahn- Lokomotiven hergestellt wurden.
WELTPREMIERE AM MOUNT WASHINGTON
Niklaus Riggenbach war ein einfallsreicher und ehrgeiziger Bahnfachmann. Für die problemlose Überwindung von Bergstrecken entwickelte er zu Beginn der 1860er- Jahre eine Leiterzahnstange als Mittelschiene. Das mit Hilfe von Prof. Carl Culmann perfektionierte System sah Riggenbach insbesondere in der Verwendung für Alpenüberquerungen. So schlug er es 1868 als Lösung auch für die Überquerung des Gotthards vor. Um eine Zahnradbergbahn zu realisieren, mangelte es Riggenbach jedoch an gesellschaftlichem Einfluss und am notwendigen Kapital. Als ab 1866 Silvester Marsh die weltweit allererste Bergzahnradbahn am Mount Washington in den USA baute, war der Beweis erbracht, dass eine Zahnradbahn effektiv realisierbar war.
HOCH HINAUF ZUR RIGI
Dies bewog John Hitz, den Schweizer Generalkonsul in Washington, bei einem Besuch in der Schweiz Ende Mai 1867, Riggenbach vorzuschlagen, die Leiterzahnstange am überaus beliebten Aussichtsberg Rigi zu verwenden. Im Weiteren half die Zusammenarbeit mit den einflussreichen Ingenieuren Adolf Näff und Olivier Zschokke, dass im Luzerner Kantonsparlament dem Konzessionsgesuch für die Vitznau-Rigi-Bahn innerhalb weniger Wochen im Juni 1869 stattgegeben wurde. Am 21. Mai 1871 konnte der Abschnitt Vitznau–Rigi-Staffelhöhe eingeweiht werden. Mit dem Bau dieser ersten europäischen Bergzahnradbahn galt Niklaus Riggenbach fortan in der Schweiz, im Land der Bergbahnen, als deren Begründer.
HARTE KONKURRENZ Leider blieben Riggenbach nur wenige Jahre, um den Erfolg seines Systems auszukosten. Er hatte zwar sein Leiterzahnstangen- und Zahnradsystem patentieren lassen und besass damit bis 1885 ein Weltmonopol für Bergbahnen. Faktisch entstanden aber ab 1876 wegen der weltweiten Wir tschaf tskrise kaum mehr Bahnen, und als sich der Bahnbau erholte, wurde ab 1888 das Zahnstangensystem seines ehemaligen Mitarbeiters Roman Abt bevorzugt. Dass die Konkurrenz in der damals führenden Spitzentechnologie Eisenbahn sehr hart war, erlebte Riggenbach ebenso mit der eigenen – 1873 zusammen mit Olivier Zschokke gegründeten – Maschinenfabrik Internationale Gesellschaft für Bergbahnen IGB in Aarau. Der Start war mit einem Aktienkapital von 25 Millionen Franken fulminant, umso schlimmer aber der Auftragseinbruch mit der Wirtschaftskrise. Auch die Bemühungen des 63-jährigen Riggenbachs, noch 1880 in Indien einen Auftrag einzuholen, nützten nichts mehr: Noch während seiner Reise wurde die IGB in Aarau liquidiert. Nach diesem Konkurs gelang Riggenbach der grosse Durchbruch nicht mehr. Von enorm populärer Wirkung war hingegen seine 1887 erstmals veröffentlichte Autobiografie «Erinnerungen eines alten Mechanikers», die bis 1967 zur Erbauung der Schuljugend diente. Riggenbach starb am 25. Juli 1899 in Olten, nachdem er sich zehn Jahre zuvor aus dem Geschäf tsleben zurückgezogen hatte.
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